Lebendig eingefroren

Anfang der Woche bei SternTV:
Nachdem ein Vertreter von Greenpeace und einer von Lidl krampfhaft versucht haben zu erklären warum ihre Bestechung keine gewesen ist (Greenpeace testete Obst in Supermärkten auf Pestizide, Lidl war letzter; Lidl stellt das Greenpeace-Magazin (Ladenhüter) in sein Regal, GP testet nochmal, Lidl an erster Stelle, ein Schelm wer böses dabei denkt), und Jauchs Fragen dabei größtenteils ignoriert haben, kommt ein wesentlich interessanter Beitrag zu Förderung der allgemeinen Politikverdrossenheit.
Es ging um das Behördendeutsch, und die Frage ob denn die Beamten selbst (oder auch sonst irgendwer) das denn noch verstehen würde. Auftakt des Berichtes bildete die klassische Befragung von Idioten in der Fußgängerzone, die die wildesten Thesen über die Bedeutung der präsentierten Wörter aufstellten. Dass ein "Lichtsignalgeber" eine Straßenlaterne ist leuchtet (haha!) im wahrsten Sinne des Wortes ein, das war aber noch einer der einigermaßen verzeihbaren Fehler. Als dann jemand erklärt hat, "Straßenbegleitgrün" seien Polizisten, hatte ich das plötzliche Bedürfnis in den Fernseher zu springen und aktiv Euthanasie zu betreiben. Da kamen noch einige weitere Beispiele, aber ab dann saß der Schock zu tief, um das bewusst wahrzunehmen. Außerdem brauche ich mein Hirn für wichtigere Dinge, als mir die Grütze zu merken die diese abgestürzten (und ohne Netz arbeitenden) geistigen Akrobaten von sich gaben.
Auch nicht gemerkt habe ich mir die genaue Formulierung, deren Bedeutung im zweiten Teil des Beitrags in einer Behörde erfragt werden sollte. Jedenfalls war es irgendetwas unselbständiges, dazu noch ein Verwandter im Geiste zum Straßenbegleitgrün. Gemeint war jedenfalls an Straßen (o.ä.) angeschlossenes Grünzeug, die selbständige Variante wäre etwa ein Park gewesen. Das war aber eigentlich relativ egal (auch wenn die Bezeichnung "unselbständig" für eine Hecke durchaus wunderlich ist), viel interessanter war der Verlauf der Informationsbeschaffung innerhalb der Behörde.
Da kommen Reporter und Kameramann zur Eingangstür der Behörde herein, zur Information, halten der Frau (die ganz entsetzt war dass bereits gefilmt wurde) den Zettel entgegen und fragen sie, ob sie ihnen das denn in vernünftiges Deutsch übersetzen könne. Kann sie natürlich nicht, also schickt sie die Herren in ein Büro im dritten Stock, zum ihrer Meinung nach zuständigen Beamten. Dessen eigener Meinung zu Folge war er aber gar nicht zuständig, deshalb leitet er seinerseits weiter. Zuvor fragt man ihn noch, ob er denn wenigstens sagen könne was eine "lebendige Einfriedung" sei (nämlich eine Hecke), da bringt der arme Mann folgenden Satz hervor: "... eine lebendige Einfrierung ist... der Gegenteil von einem Zaun."
Da hat wohl die kamerainduzierte Nervosität zugeschlagen. Immerhin wird der Mann ab da persöhnlicher Tourleiter durch die gesamte Behörde.
Im nächsten Büro will es auch keiner gewesen sein (was ihnen zufälligerweise immer dann einfällt, wenn sie merken dass sie mit ihrem Können und Wissen nicht vor der Kamera glänzen können), genausowenig in den zwei darauf folgenden. Schließlich findet sich ein mit zwei Frauen bemanntes Büro, die sich zumindest die Mühe machen potentielle Bedeutungen zu äußern. Dass es etwas mit Grünzeug zu tun hat war immerhin richtig. Eine der Damen schlägt vor, den Chef zu Rate zu ziehen, doch bevor sie den halben Meter von ihrem Stuhl zur Tür zurücklegen kann kommt der auch schon durch selbige hindurch, das Jackett noch mit einer Hand zuknöpfend, das beste Fernsehlächeln aufgesetzt... aber auch er weiß nicht weiter - und ist eigentlich auch gar nicht zuständig. Also zum nächsten Büro, mittlerweile im siebten Stock. Da weiß auch niemand Bescheid, da weiß jedoch eine Frau, dass man vor Kameras eigentlich sowieso keine Auskunft geben darf. Das darf nur einer - und der weiß dann auch dass die Hecke Hecke heißt, kann aber nicht sagen warum man sie nicht einfach Hecke nennt, oder warum man auch für alle anderen Sachen die blödsinnigsten Synonyme finden muss.
Zumindest aber die Stimmung bei der Arbeit war gut. Der eine Beamte hatte einen Pool als Wallpaper (der letzte Urlaub war aber bestimmt auch schon lange her, und man arbeitet ja so hart), auf einem anderen Tisch stand bergeweise Schokolade neben einer Pralinenschachtel (wurde den Leuten vom Fernsehen unhöflicherweise nicht angeboten). Und am wichtigsten für die Betriebsmoral ist wohl, dass prinzipiell immer ein anderer zuständig ist. Wenn ein Handwerker so arbeiten würde... aber was sag ich, es gibt ja Handwerker die so arbeiten. Aber dazu später mehr.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die sache mit dem Greenpeace-Test bei Lidl war wirklich mal wieder so eine typische Lidl-Story. Keiner weiß so recht, was wirklich dran ist, die Aufklärung läuft mehr schlecht als recht und wird dann irgendwann auch scheinbar einfach vergessen. Genauso vergessen dann auch die Kunden schnell wieder all ihre Bedenken und gehen auch weiterhin auf der Suche nach dem Megaschnäppchen blind durch die Discountergänge zur Kasse.