Zeitlos

Im vorletzten Beitrag habe ich mich, der eine oder andere mag sich daran erinnern, als technophil bezeichnet. Ich kann das nur wiederholen und bekräftigen, und ein Beispiel erwähnen dass mir in besagtem Post nicht eingefallen ist: Uhren.
Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, am Stand der Sonne abzulesen wie spät es ist. Dann würde ich doch andauernd zu spät zu Verabredungen kommen, die Nachrichten im Fernsehen verpassen, verschlafen ohne auch nur die Möglichkeit den Wecker nicht zu hören, oder Eier zu lange kochen. Gut, letzteres ist wohl etwas weit hergeholt weil ich - rein statistisch - ungefähr einmal alle zwanzig Jahre Eier koche, aber ich denke es wird klar worauf ich hinaus will.
Also zurück zu den Eiern. Nein, den Uhren.
Die Abhängigkeit von Uhren wird immer wieder deutlich, wenn man sie einmal nicht verwenden kann. Etwa wenn die Batterie leer ist, oder das Uhrenarmband reißt. Noch schlimmer, wenn das Armband mehrfach reißt, so dass das hastig darum herum gewickelte Isolierband keine Bruchstellen mehr sichert, sondern stellenweise alles ist was die Uhr am Arm hält. An meiner Armbanduhr (digital, tauchfähig bis 200m, Countdown, Stopuhr und Wecker inklusive) ist genau das passiert. Und zwar nicht durch äußere Umstände, oder starke Gewalteinwirkung. Nein, diese speziellen Armbänder von Casio haben anscheinend eine Sollbruchstelle, die dafür sorgt dass das Armband nach etwa einem Jahr brüchig wird und schließlich auseinanderfällt. Wenn das beim dritten (identischen) Armband in Folge passiert, an exakt derselben Stelle, kann man wohl nicht mehr von Zufall ausgehen. Aber egal, es dauert ohnehin immer viel zu lange das Armband wechseln zu lassen. Nur logisch dass es zwei Wochen (oder mehr) dauert, um ein Armband aus dem Lager - das sich ungefähr drei Stadtteile weiter befindet - in den Laden zu schicken, und dann noch einmal so lange um es auszuwechseln.
Schlecht für die lokale Armbandwechselindustrie, dass Aldi Armbänder zum halben Preis verkauft, und mein Vater keine zwei Minuten braucht um selbige auszutauschen, ich musste also nicht lange ohne Armbanduhr unterwegs sein - die kurze Zeit war aber schlimm genug. Nicht nur, dass ich ständig versuchte von meinem Arm die Uhrzeit abzulesen, nein, da war auch noch das fehlende Gewicht an eben jenem Arm (sicherlich einhergehend mit gewaltigen Gleichgewichtsproblemen die ich komplett unterbewusst ausgeglichen habe), und der ständige Versuch die Uhr durch schnelles Schütteln des Handgelenks in eine angenehmere Lage zu drehen. Der Mediziner würde das wohl Phantomschmerz nennen.
Meine alte Armbanduhr (und "alt" meine ich hier nicht nur im Sinne von "vorherige", sondern tatsächlich im eigentlichen Wortsinn, denn die hat mindestens 12 Jahre auf dem Buckel), könnte mich jetzt jedoch zu ungeahntem Reichtum führen. Zwar ist deren Armband seinerzeit auch einmal gerissen, mittlerweile auch die Halterung eben jenes Armbands (weswegen meine "neue" Uhr einspringen musste), aber trotz aller anderen Fehler hat sie bisher immer verlässlich die Zeit angezeigt. Eine falsche Zeit, weil sie über die Jahre insgesamt 45 Minuten verloren hat, aber die konnte man in Gedanken addieren, und dann machte das auch nichts.
Als ich vor weniger als zwei Stunden endlich einmal die Zeit richtig stellen wollte, ist die Uhr jedenfalls stehen geblieben. An und für sich nicht spektakulär, wäre sie nicht, genau wie ihr Nachfolger, eine Digitaluhr. Seit bald zwei Stunden steht sie jetzt also, kein Knopf reagiert mehr, und die Batterien dürften (das hat die Erfahrung gezeigt) noch das eine oder andere Jahr halten. An wen wendet man sich denn, mit der ersten stehen gebliebenen Digitaluhr aller Zeiten? An den Hersteller? DieBundesregierung? Die Bildzeitung?
Ich könnte sie auch einfach ins Fotoalbum kleben, oder einrahmen und an die Wand hängen. Oder ich funktioniere sie doch zur Sonnenuhr um, die Batterien meiner neuen Armbanduhr dürften wohl immerhin geringfügig eher ausfallen als die Sonne, und dann würde ich zumindest die Nachrichten nicht verpassen - wenn nicht gerade Winter ist.